Mit Blick auf die Mobilität in der Zukunft mag die Digitalisierung der Schlüssel für fortschrittliche Fahrzeugfunktionen, Online-Flottensteuerung oder digitale Mobilitätsdienste sein, aber Software und Daten alleine reichen sicherlich nicht. Wer nicht zu Fuß gehen oder reiten will braucht ein – in den meisten Fällen motorisiertes – Fahrzeug, das egal ob es ein Pkw, Minivan oder Bus ist, ob es sich im Besitz eines einzelnen oder eines Unternehmens befindet, oder ob Sie Fahrer oder Mitfahrer sind letztlich irgendjemand entwickeln und herstellen muss.
Vor allem die Entwicklung von Premium Pkw ist immer noch ein beachtlich komplexer Prozess. Es beginnt mit der Überführung aller kundenseitigen, rechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen in ein technisch stimmiges und wettbewerbsfähiges Gesamtfahrzeugkonzept, das im folgenden Konstruktionsprozess in hunderttausende von Hard- und Softwareteilen heruntergebrochen wird, die dann wieder zu einem kompletten Fahrzeug zusammengeführt werden, und endet mit der Erprobung und Validierung dieses Fahrzeugs, manchmal in mehreren Schleifen.
Als ich darüber neulich mit einer meiner ehemaligen Automotive Engineering Studentinnen von der Clemson University sprach, sagte Sie mir, dass mein Lehrbuch Automotive Development Processes – Processes for Successful Customer Oriented Vehicle Development immer noch ihre „Bibel“ wäre, wenn es darum ginge, die vernetzten Prozesse der Gesamtfahrzeugentwicklung ganzheitlich zu verstehen. Etwas geschmeichelt nahm ich meine staubige Kopie aus dem Regal und schaute mir kritisch an, was ich da vor 11 Jahren zusammengestellt hatte, und fand: Damals habe ich autonomes Fahren nicht einmal erwähnt, und mein Vertrauen in die Weiterentwicklung von Hochvoltspeichern und damit in die Zukunft elektrischer Fahrzeugantriebe war ziemlich gering. Während sich aber Design- und Testmethoden über die Jahre in allen Bereichen von Forschung und Entwicklung deutlich verbessert haben, und besonders auch agiles Vorgehen die Entwicklung mechatronischer Systeme auf ein ganz neues Level gebracht haben, hat sich der Gesamtansatz, Kundenerwartungen, Marktnachfrage, regulatorische Rahmenbedingungen und innovative Technologien in Produktstrategie, Konzepte und Architekturen umzuwandeln um dann die angestrebten Gesamtfahrzeugeigenschaften über die Hardware- und Softwareentwicklung hinweg genau zu überwachen, seitdem nicht wirklich geändert.
Die hohe Kunst, das Orchester der beteiligten Prozesse zu dirigieren, von Karosseriedesign und Crashsicherheit über Steuergeräteprogrammierung und E/E-Systemintegration, von Interieur und Fahrkomfort bis hin zur Motorenkonstruktion und Emissionskontrolle, von der Fahrwerkskonfiguration und Agilität bis hin zur Konnektivität und Diebstahlschutz, ist nach wie vor die unverzichtbare Basis für eine erfolgreiche Gesamtfahrzeugentwicklung und in diesem Lehrbuch zusammengefasst.
Und wenn wir diese Grundlagen beherrschen, dann können wir uns auch weiter un die Digitalisierung kümmern …