Wir kennen das alle – natürlich nur von Freunden und Bekannten, nicht aus eigener Erfahrung: Die aus gutem Grund, fest und unwiderruflich gefassten Neujahrsvorsätze wie gesünder zu essen oder mehr Sport zu machen werden schon Anfang Februar von der unaufhaltsam durchbrechenden Macht der Gewohnheit torpediert und sterben dann einen leisen und erbärmlichen Tod. Was bleibt sind anhaltende Frustration und die monatlichen Abbuchungen des Fitnessstudio-Jahresvertrags.
Ganz ähnlich ergeht es häufig auch den guten Vorsätzen von Unternehmen, im Fachjargon Strategien genannt. Auch diese scheitern in der Regel nicht, weil es ihnen an Sinn, Schlüssigkeit oder Notwendigkeit fehlt, sondern – ganz im Gegenteil – weil sie aus Sicht der Verantwortlichen so sinnvoll, schlüssig und notwendig sind, dass ihre flächendeckende Umsetzung als „Selbstläufer“ und jegliches weiteres Dazutun als unnötiger Aufwand und somit als überflüssig gesehen wird. Und genau wie an dem kalten Sonntagmorgen im Februar, an dem ein plötzlich gefühlter leichter Schmerz im Rücken Grund genug ist, dann doch nicht wie geplant im Wald laufen zu gehen, schlägt auch hier die Gewohnheit erbarmungslos zu, diesmal in Gestalt der oft über Jahre und Jahrzehnte gewachsenen Unternehmenskultur.
„Wir haben das doch jetzt alles sauber hergeleitet, vereinbart und an alle kommuniziert. Alle haben gesagt, sie hätten verstanden, was und warum es zu tun ist. Warum um alles in der Welt passiert jetzt nichts?“. In der heutigen Zeit kann das lebensbedrohlich sein. Ein Unternehmen, das in Zeiten des Wandels (wie etwa aktuell in den Bereichen Digitalisierung, Mobilität oder Nachhaltigkeit) durch bewusst oder unbewusst retardierende Kräfte daran gehindert wird, sich schnell genug an die sich laufend ändernden Rahmenbedingungen und Spielregeln anzupassen, verliert unweigerlich den Anschluss und ist dann ganz plötzlich „raus aus dem Spiel“.
Die Fähigkeit, die Kultur seines Unternehmens zum einen wirklich zu kennen und sie zum anderen erforderlichenfalls auch gezielt beeinflussen zu können, ist also eine essentielle Voraussetzung für die nachhaltige Umsetzung strategischer Ziele. Was einfacher klingt als es ist, denn mit Unternehmenskultur ist nicht wie häufig angenommen gemeint, wie sehr sich die Mitarbeiter eines Unternehmens für seine Marken und Produkte begeistern, sondern die Summe ihrer individuellen Einstellungen, Wünsche und Gefühle sowie der aus gruppendynamischem Zusammenwirken entstehenden gemeinsamen Normen, Werte und Verhaltensweisen. Und dadurch wird sie für die gewünschte nachhaltige Umsetzbarkeit von Veränderungsbedarfen zum erfolgskritischen Faktor: Werden diese bis auf die unterste Ebene nachvollziehbar und begründet kommuniziert und ihre Umsetzung nachgehalten, oder wird das durch eine als „Lehmschicht“ wirkende mittlere Führungsebene verhindert? Stehen die mit der Umsetzung beauftragten Mitarbeiter wirklich hinter den Strategien, oder herrscht eher die Auffassung, dass „die da oben“ sich schon wieder was Neues ausgedacht haben, was aber wie schon bei den letzten Malen auch dieses Mal wieder wenn überhaupt nicht so heiß gegessen wird wie es gekocht wurde?
Eine in diesem Sinne positiv wirkende Unternehmenskultur verbindet alle Hierarchieebenen und schafft über Vertrauen eine grundsätzliche Offenheit für Veränderungen. Ein wichtiges Detail dabei ist, dass „gemeinsam“ hier alle an der Wertschöpfung beteiligten Partner miteinschließt, nicht nur Mitarbeiter im rechtlichen Sinn. Kultur macht an organisatorischen Grenzen nicht Halt. Und: Unternehmenskultur lässt sich nicht über einmalige online-Mitarbeiterbefragungen erfassen und schon gar nicht durch Vorstandsentscheidungen über Nacht verändern – auch nicht mit Hilfe von extra dafür eingesetzten und am Ende sogar noch extern rekrutierten Kulturbeauftragten. Voraussetzung für einen wirklich nachhaltigen Wandel der Unternehmenskultur ist eine langfristige, bidirektionale und ehrliche Interaktion zwischen Unternehmensleitung, Führungskräften und Mitarbeitern. Und zwar gar nicht so sehr – wie häufig missinterpretiert – aus reiner Philanthropie (auch wenn ein sich als Nebeneffekt einstellender anständiger und respektvoller Umgang mit den eigenen Mitarbeitern und Führungskräften ja durchaus begrüßenswert ist), sondern primär ganz schlicht zum Wohle des Unternehmens.