Seit Mark Zuckerbergs Ankündigung im Sommer 2021, dass sich sein Meta-gewordenes Facebook nun voll auf den Auf- und Ausbau des Metaverse konzentrieren werde, sind verteilte digitale Welten zum absoluten Megatrend geworden, und eine Studie nach der anderen verspricht enorme Chancen, die sich aus der Schaffung und Nutzung solcher digitalen Welten ergeben. Verteilte virtuelle Welten und die damit verbundenen Business-Versprechen sind jedoch alles andere als neu, und – wie so oft – lohnt es sich, einen Blick zurückzuwerfen und zu sehen, was aus der Vergangenheit bereits an Erfahrungen vorliegt, um kritisch beurteilen zu können, was die Zukunft wirklich bringen könnte.
30 Jahre Hype, Desillusionierung und viel Erfahrung
Der Geist war willig, aber die Hardware war schwach
Es war sicher richtungsweisend, dass der erste, der die Idee einer gemeinsamen digitalen Welt erwähnte und beschrieb, kein Wissenschaftler war: Der Science-Fiction-Autor William Gibson schrieb 1984 in seinem Buch Newromancer über einen Cyberspace, den Menschen über verschiedene Hardwareschnittstellen betreten können um dort miteinander zu kooperieren und zu interagieren. Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen waren von dieser Idee fasziniert. In den folgenden Jahren wurde Virtual Reality (so der neue terminus technicus) zu einem regelrechten Hype, und ich wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Maschinenbau der Technischen Universität Karlsruhe, wo ich meine Doktorarbeit eben über den Einsatz von Virtual Reality zur Bewertung von 3D-Produktmodellen schrieb. Ein unglaublich cooles Thema für einen Maschinenbauingenieur, der an einem Werkzeugmaschineninstitut arbeitet.
Leistungsstarke Grafikcomputer wie die Dream Machine von Silicon Graphics, Inc. waren mit den damals verfügbaren Forschungsgeldern kaum bezahlbar. Folglich wurden die virtuellen Produktionsszenarien, die zur Planung und Simulation von realen Montagelinien erstellt wurden, meist durch einfache Boxen dargestellt. Die Welt bestand aus Quadern. Weitere VR-Ausrüstung wie HMDs (Head Mounted Devices) oder Datenhandschuhe, die zum Eintauchen in die virtuelle Welt notwendig sind, waren schwere und klobige Prototypen. Wenn man in seiner virtuellen Welt auf die Boxen schaute und den Kopf drehte, dauerte es eine Weile, bis die Projektion auf den im HMD integrierten Monitoren folgte, was nach ein paar Minuten fast zwangsläufig zu Übelkeit führte. Selbst während einer Reise nach England, wo wir die damals weltweit führenden VR-Forschungseinrichtungen besuchten, starrten wir immer noch auf virtuelle Quader und wurden dabei langsam blass und krank.
Abbildung 1: Immersion mit Head Mounted Display und Space Mouse 1995
Auf der anderen Seite bereiteten diese technischen Einschränkungen den Raum für ein fast grenzenloses Vorausdenken. Intensive theoretische Diskussionen über ihr zukünftiges Potenzial machten Virtual Reality zu einem geradezu klassischen „Eines Tages könnten wir …“-Thema quer über alle Branchen und Forschungsgebiete. Theoretisch mögliche Anwendungen virtueller Welten in fast allen Bereichen, von der Architektur über kooperative 3D-Produktentwicklung bis hin zum Cybersex (ein Thema, das damals fast jede Zeitschrift als Titelstory brachte – was es einem manchmal schwer machte, öffentlich darüber zu sprechen, dass man sich mit Virtual Reality befasste), wurden umfassend und in die Tiefe analysiert. Sogar die Gültigkeit im Cyberspace vollzogener spiritueller Handlungen wie etwa Segnungen oder Beichten wurde diskutiert.
Technologie folgt dem Geld. Aber wo ist das Geld?
Doch während der seriösen Forschung (oder was man damals eben dafür hielt) das Geld für die entsprechende Hardware fehlte, wuchs die VR-Technologie – zunächst fast unbemerkt – an ganz anderer Stelle: Am letzten Tag der oben erwähnten Englandreise besuchten wir am Trocadero in London ein riesiges Gaming-Center und dessen neue VR-Spielewelt – und hier fühlte ich mich endlich zum ersten Mal wirklich völlig in eine virtuelle Welt eingetaucht. Für Spielekonsolen stand ganz offensichtlich ein Vielfaches mehr an finanziellen Mitteln zur Verfügung als für Forschung und Entwicklung oder Produktion. Mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung schauten wir in den Rechnerraum des Gaming-Centers, der mit den leistungsstärksten SGI-Rechnern und dem besten Equipment gefüllt war, das mir bis dahin untergekommen war. Und: Im Gegensatz zu den meistens einsamen Forschungslaboreb gab es hier lange Schlangen von Menschen, die darauf warteten, fünf Pfund und mehr für ein paar Minuten des Eintauchens in ein virtuelles Schlachtfeld zu bezahlen. Trotzdem galt Gaming Ende der 90er Jahre noch nicht als ernsthaftes Betätigungsfeld für wissenschaftliche Mitarbeiter universitärer Forschungsinstitute.
Es war auch ein Computerspiel, nämlich das Ego-Shooter-Spiel Doom, bei dem ich zum ersten Mal die Erfahrung machte, in einer gemeinsamen virtuellen Umgebung mit anderen zusammenarbeiten zu können (auch wenn „Zusammenarbeit“ für die Art von Interaktion in Spielen wie Doom ein etwas seltsamer Begriff sein mag). Die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen aus der ganzen Welt in einem virtuellen Raum zu treffen und mit ihnen in Echtzeit zu interagieren, war atemberaubend und qualitativ um Dimensionen besser als in all den VR-Umgebungen, mit denen wir zu arbeiten gewohnt waren.
Seitdem hat das 3D-Online-Gaming in vielerlei Hinsicht enorme Fortschritte gemacht. Hochentwickelte Grafikprozessoren, vor allem von Invidia oder AMD, und VR-Headsets wie von Oculus ermöglichen heute eine äußerst realistische Visualisierung von und Interaktion mit allen Arten von Elementen virtueller Welten. Durch das Spielen von Online-Spielen wie Fortnite oder Minecraft ist vor allem die Generation Z von klein auf aran gewöhnt, völlig selbstverständlich in virtuellen Welten zu agieren und mit ihnen zu interagieren. Gaming ist dabei nicht nur ein weit verbreitetes Hobby, sondern – da immer mehr Menschen auch anderen Menschen beim Spielen zuschauen wollen – für einige ein durchaus lukrativer Beruf geworden. Ninja, damals 20 Jahre alt, soll der erste gewesen sein, der mit Fortnite und anderen Spielen 12 Millionen Dollar im Jahr verdient. Mit Blick auf diese neuen Vorbilder begannen Tausende von Kindern weltweit von einer Karriere als professioneller Gamer zu träumen – sehr zum Leidwesen ihrer Eltern aus einer Generation, die keinerlei Verständnis für diese Art von Business hatte und zum Teil heute noch geringschätzend und ignorant von „Videospielen“ spricht. E-Sports – wie Gaming heute auch genannt wird – hat sich zu einem bedeutenden Industriezweig entwickelt und ist nach wie vor die wichtigste Triebkraft für die technologische Entwicklung der virtuellen Realität.
Welche Hausordnung gilt, wenn das Haus gar nicht echt ist?
Im Jahr 2003, ein Jahr bevor Mark Zuckerbergs Facebook online ging, machte die Kooperation in geteilten virtuellen Welten einen großen Schritt nach vorn: Das US-Unternehmen Linden Lab startete Second Life, eine kommerzielle multi-user multi-purpose 3D-Umgebung. In Form von Avataren betraten Nutzer aus aller Welt Second Life – zunächst nur zum Spaß, später auch zu Forschungs- und Bildungszwecken oder im Interesse von Marketing und Handel. Schulen und Universitäten hielten dort Unterricht und Vorlesungen, während Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen anboten. Als Zahlungsmittel diente eine erste virtuelle Währung, der Linden Dollar, der in echtes Geld umgetauscht werden konnte. Das erste wirklich breit bevölkerte virtuelle Universum, das soziale Interaktion und eine sehr einfache Form des Handels ermöglichte, war geboren. Kurz gesagt, Second Life war das Internet 2.0 in 3D.
Abbildung 2: NPR Science Friday in Second Life 2008 (Quelle: Wikipedia)
Doch während man sich bei Linden Lab auf neue Funktionen und steigende Nutzerzahlen konzentrierte, dachte man dort nicht allzu sehr an die damit verbundenen Risiken. So mussten die Nutzer bald erfahren, dass eine mehr oder weniger unregulierte virtuelle Welt auch negative gesellschaftliche Verhaltensmuster wie Hassreden, Ungerechtigkeiten, Urheberrechtsverletzungen, Verbreitung von Lügen oder den Verzicht auf grundsätzlichen Anstand nährte. Es dauerte nicht lange, bis die Bewohner von Second Life, als Digital-Affine typischerweise eher starke Verfechter von Freiheit und Unabhängigkeit, sehnsüchtig nach Regeln und Vorschriften und deren Durchsetzung verlangten. Eine zusätzliche Erfahrung in rechtlichen Dingen war der vollständig fehlende Schutz geistigen Eigentums, mit dem sich Personen und Unternehmen konfrontiert sahen, die in Second Life Dienstleistungen und Produkte anboten.
Überlagerung von realer und virtueller Welt
Während Qualität und Bedeutung virtueller Welten im Laufe der Jahre deutlich zugenommen haben, galt der Überlagerung von virtueller und realer Welt nie allzu großes Interesse. Zwar gab es einige industrielle Augmented Reality (AR) Anwendungen, bei denen Wartungs- oder Logistikmitarbeiter zusätzliche Informationen zu den Objekten, mit denen sie arbeiten, in ihre Brille projiziert bekamen, aber selbst die 2014 vorgestellten Google Glasses, die Augmented Reality in die Breite bringen sollten, wurden nur ein Jahr lang verkauft.
Und wieder war es im Gaming, wo Augmented Reality Anwendungen den Durchbruch schafften: Im Jahr 2016 begannen Millionen von Pokémon-Go-Nutzern durch die Nachbarschaft zu streifen und ihre reale Umgebung durch die Kameras ihrer Smartphones zu betrachten, wodurch sie um virtuelle Gegenstände angereichert wurde, die sie finden mussten. Allerdings war es offensichtlich schwierig, reale und virtuelle Welt gleichzeitig im Auge zu behalten, denn man sah Scharen von Pokémon-Go-Spielern achtlos Straßen überqueren, während sie auf das Display ihres Smartphones schauten.
Bedeutsamer als der Abgleich virtueller und realer Geometriedaten war jedoch die Erstellung und Nutzung sogenannter Digital Twins, also digitaler Modelle, die vernetzte reale Objekte mehr oder weniger in Echtzeit darstellen. Ermöglicht durch die weltweite Einführung von Cloud Computing wurden riesige Data Lakes mit den Digital Twins von vernetzten Anlagen, Maschinen, Geräten, Autos usw. gefüllt, um die Produktion 4.0 und das Internet der Dinge aufzubauen. Auch wenn der Schwerpunkt der hier verwendeten digitalen Modelle eben bislang weniger auf 3D-Geometrie als auf technologischen Daten liegt, stellen sie kooperativ genutzte virtuelle Welten dar, die es ermöglichen, reale Objekte in Echtzeit in virtuellen Welten darzustellen.
Immersion – der Heilige Gral der Virtual Reality
Eine – wenn nicht sogar die wichtigste – Frage in der Debatte um die Anwendung von Virtual Reality war immer, ob es wirklich notwendig ist, in eine virtuelle Welt einzutauchen, oder ob nicht auch das Betrachten von dieser auf einem Monitor als „echte VR“ gelten kann. Und auch heute gibt es hierauf noch keine klare Antwort.
Das Metaverse durch Headsets und andere Hardware so realistisch wie möglich zu erleben, hat gegenüber dem Betrachten des Sichtfelds seines Avatars (point of view) oder des eigenen Avatars in seiner Umgebung auf einem Bildschirm ganz offensichtlich Vorteile, aber eben auch Nachteile. In Spielen wie Fortnite beispielsweise wird die Immersion von Spielern bevorzugt, die es einfach genießen, sich mitten im virtuellen Szenario zu fühlen, während professionelle Spieler es vorziehen, das Schlachtfeld auf großen gekrümmten Bildschirmen zu sehen, wodurch sie einen besseren Überblick haben und schneller reagieren können.
In unechten Welten echtes Geld ausgeben
Die Online-Bezahlung von Produkten und Dienstleistungen, die in der realen oder virtuellen Welt erbracht werden, ist ganz offensichtlich eine notwendige Voraussetzung für Geschäfte in virtuellen Welten. Sicherlich waren es Jeff Bezos und Amazon, die seit Mitte der neunziger Jahre die Entwicklung von Online-Zahlungstechnologien für den Einkauf im Internet vorangetrieben haben. Doch erst in Second Life konnten die Bewohner virtueller Welten reales Geld in eine virtuelle Währung tauschen, um damit virtuelle Produkte zu kaufen oder virtuelle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Heute können virtuelle Welten auf eine Vielzahl von Zahlungslösungen zurückgreifen, einschließlich Blockchain-Technologien, um Geldgeschäfte transparent und manipulationsgeschützt zu machen.
Metaverse heute
Was hat sich nun als über die Jahre verändert, und was können wir aus dieser Vergangenheit lernen?
Zunächst einmal: Die Idee, in eine geteilte virtuelle Welt einzutauchen, dort in einen neuen Charakter und eine neue Persönlichkeit zu schlüpfen und unabhängig von den Restriktionen der realen Welt – seien sie geografisch, rechtlich, gesellschaftlich oder individuell – frei mit anderen zu interagieren, fasziniert die Menschen nach wie vor, ist technisch möglich, aber ist – wenn auch in Teilen umgesetzt – immer noch eine Vision.
Zwar gibt es heute – neben kooperativen Spielräumen wie Fortnite, Minecraft oder Metas Horizon Worlds – generische Metaverse-Plattformen (vor allem Decentraland, Sandbox, Cryptovoxels, Substrata oder Somnium Space), auf denen sich Menschen treffen und austauschen, Konzerte besuchen oder an Bildungsveranstaltungen teilnehmen. Sie zahlen viel Geld, um ihre Avatare hübsch anzuziehen oder mit Accessoires auszustatten, Zugang zu beschränkten Bereichen zu erhalten und virtuelles Land oder NFTs zu erwerben. Und nicht zuletzt kaufen sie echte Computer, Headsets und andere Hard- und Software, um sich mit der virtuellen Welt zu verbinden. Doch obwohl sich in den letzten Jahrzehnten all diese Geräte und die dazugehörigen Technologien dramatisch weiterentwickelt haben, umfassende Erfahrungen mit den gesellschaftlichen und rechtlichen Fallstricken gesammelt wurden und die allgemeine Bereitschaft, sich in virtuelle Welten zu begeben, stark zugenommen hat, befinden wir uns immer noch in der kreativen Anfangsphase, in der wir uns erstmal all die wunderbaren Dinge vorstellen, die wir in einem Metaverse irgendwann tun könnten.
Was aber sind nun diese wunderbaren Dinge? Wo liegen die ungenutzten Möglichkeiten des Metaverse? Ich unterscheide bei den Geschäftsmöglichkeiten des Metaverse gerne drei grundsätzlich unterschiedliche Arten:
1. Geschäftsmöglichkeiten IM Metaverse: Wertschöpfung in der virtuellen Welt
a) Erzeugung virtueller Produkte im Metaverse
Das wahrscheinlich größte Potenzial eines gemeinsam genutzten virtuellen Raums liegt in der Möglichkeit, mühelos Experten aus der ganzen Welt zusammenzubringen, um gemeinsam „Dinge“ wie Gebäude und ganze Städte, Möbel und Inneneinrichtungen, Geräte und Maschinen – um nur einige Optionen zu nennen – zu bauen und zu untersuchen, bevor sie in der realen Welt tatsächlich umgesetzt werden. Stellen Sie sich eine Teams-Sitzung vor, bei der das Whiteboard ein 3D-Raum ist, die Werkzeuge nicht auf Stifte und Radiergummis beschränkt sind, und die Teilnehmer in diesem Raum sind. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist ein digitales Modell (mit geometrischen, technologischen und anderen Daten), das in die reale Welt exportiert werden kann, wo es als Entwicklungsergebnis einen gewissen Wert hat.
Aus geschäftlicher Sicht ist eine solche Co-Creation im Metaverse vor allem dann sinnvoll, wenn die Erstellung und Bewertung ein hohes Maß an räumlicher Wahrnehmung (wie beispielsweise bei Gebäuden, Städten oder Autos) und die Verfügbarkeit von Experten erfordert, die in der realen Welt weit verteilt sind und deren Fachwissen nicht durch Algorithmen oder KI ersetzt werden kann.
b) Erbringung von Dienstleistungen im Metaverse
Während der primäre Wert der im Metaverse geschaffenen „Dinge“ typischerweise in der realen Welt liegt, haben digitale Dienstleistungen, die im Metaverse erbracht werden, auch dort ihren Wert: Kurse und Schulungen oder Unterhaltungsangebote wie Shows, Konzerte oder insbesondere Spiele bieten Erlebnisse, die denen in der realen Welt ähnlich sein (wie bei einem in den virtuellen Raum übertragenen Konzert) aber auch in der realen Welt unmöglich sein können (wie die meisten kooperativen Spiele).
Hier ergeben sich Geschäftsmöglichkeiten, indem Nutzer dieser Dienste im Metaverse bezahlen. Und wie alle digitalen Artefakte lassen sie sich auch ohne zusätzliche Kosten skalieren: Die Durchführung einer Veranstaltung im Metaverse beispielsweise verursacht den gleichen Aufwand, unabhängig davon ob dort zehn oder zehn Millionen Menschen daran teilnehmen.
Abbildung 3: Kinobesuch in Decentraland 2022
Die entscheidende Frage dabei ist jedoch: Welchen Mehrwert bietet es dem Kunden, eine Veranstaltung im Metaversum zu besuchen, gegenüber einem Besuch in der realen Welt oder einer passiven Aufzeichnung (Film)? Wenn (und nur wenn) die Interaktion mit Menschen (über ihre Avatare) und Dingen deutlich attraktiver oder billiger oder eben nur in der virtuellen Welt möglich ist, wird es hierfür einen Markt geben.
2. Geschäftsmöglichkeiten DURCH das Metaverse: Marketing und Verkauf von Produkten und Dienstleistungen der realen Welt in der virtuellen Welt
Da ein vernetzter 3D-Raum die Visualisierung, Konfiguration und das realistische Erleben eines Produkts und der damit verbundenen Prozesse ermöglicht, kann das Metaverse die perfekte Umgebung für deren Vermarktung sein.
Die Frage, die es im Vorfeld zu beantworten gilt, lautet jedoch (erneut): Wann hat das Metaverse hier einen echten Kundennutzen – und wann ist eine „normale“ Website für den Kunden gut genug oder vielleicht sogar bequemer, um sich zu informieren, ein Produkt individuell zu konfigurieren oder ein Produkt in seiner vorgesehenen Umgebung zu betrachten. Ist es wirklich notwendig oder lohnenswert, virtuelle Einkaufszentren zu schaffen, in denen die Avatare der Menschen beiläufig vorbeischlendern, um virtuelle Läden zu betreten, dort virtuelle Produkte anzuschauen und von virtuellen Verkäufern (die entweder Avatare von echten Menschen oder Bots sein können) begrüßt zu werden?
Auch wenn man heute schon in Decentraland Pizza bestellen kann: Wer beispielsweise nach Lebensmitteln oder elektronischen Geräten sucht, vor allem nach Waren, die er schon einmal gekauft hat, für den ist ein einfacher Online-Shop mit bequemen Suchfunktionen sicher die richtige Wahl. Das Betrachten von Kleidung und Accessoires wiederum, die ein Avatar im Metaverse trägt, ermöglicht zwar eine realistische Einschätzung, macht aber im immersiven Modus wenig Sinn (da man ja sehen möchte, wie man aussehen würden, wenn man es tragen würde – und nicht, was man selbst sehen würde, wenn man es trägt …). Immersion macht Sinn, wenn es um räumliche Wahrnehmung geht, wie etwa bei der Auswahl, Konfiguration und dem Erleben einer Wohnung samt Möbeln, Beleuchtung und Dekoration – oder eines Autos – bevor man es kauft oder mietet.
Abbildung 4: Pizzashop in Samsungs Decentraland Virtual Experience Center 837X 2022
Und wenn sich ein Metaversum schließlich als vielversprechender Marketing- und Vertriebskanal für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung erweist, stellt sofort sich eine weitere wichtige Frage: Werden Sie hier zusätzliches Geschäft generieren – oder nur bestehendes Geschäft auf neue Kanäle verlegen?
3. Geschäftsmöglichkeiten MIT dem Metaverse: Herstellung und Verkauf von Hard- und Software für den Zugang zur und die Interaktion mit virtuellen Welten
a) Hard- und Software für den Zugang zum Metaverse
Um die virtuelle Welt zu betreten und dort mit Dingen und anderen Menschen zu interagieren, sind Headsets und Controller erforderlich. Deren Qualität, Genauigkeit und Geschwindigkeit hat sich im Laufe der Jahre dramatisch verbessert und erlaubt heute ein sehr realitätsnahes visuelles Erlebnis.
Nicht zuletzt liegt ein hohes Geschäftspotenzial in der Generierung von virtuellen Räumen und deren Bereitstellung in der Cloud, einschließlich einer Vielzahl von Dienstleistungen im Bereich Governance und Wartung. Je mehr virtuelle Welten existieren und bevölkert werden, desto größer wird die Nachfrage nach Dienstleistern sein, die ein technisch und sozial reibungsloses virtuelles Leben gewährleisten.
Abbildung 5: Oculus Quest 2 Headset und Controller (Quelle Meta)
b) Virtuelle Gegenstände für das Metaverse
Eine in kooperativen Spielen bereits verbreitete Geschäftsform ist die Erstellung und der Verkauf von (digitalen) Produkten, die für die NutzerInnen nützlich oder begehrenswert sind: Spezielle Skins, Kleidung oder Ausrüstungsgegenstände für Avatare oder vorgefertigte Komponenten für Produkte, wie oben erwähnt, können nur in der virtuellen Welt genutzt und nicht in die reale Welt zurück übertragen werden. Genau wie bei digitalen Dienstleistungen können diese digitalen Produkte beliebig oft kopiert werden.
Abbildung 6: Überblick über die Geschäftsmöglichkeiten im Metaverse
Fazit:
Das vielbeschriebene Potenzial für Marketing und Vertrieb von realen Gütern im Metaverse würde ich bestätigen, Visualisierung, Konfiguration und Test machen hier aber nur bei Produkten und Dienstleistungen Sinn, bei denen die verbesserte räumliche Wahrnehmung einen echten Vorteil gegenüber herkömmlichen digitalen Kanälen bietet. Zweitens, und unabhängig davon, was dort tatsächlich passieren wird: Die Bereitstellung, Pflege und Verwaltung von geteilten virtuellen Umgebungen bieten in diesem Zusammenhang sicherlich die stabilsten und zuverlässigsten Möglichkeiten Geschäft zu machen.