Getrennte Ebenen für Fuß- und Autoverkehr
2. Alles in Reichweite
Die wichtigsten Geschäfte, Schulen, medizinische Einrichtungen, Restaurants und öffentliche Begegnungsstätten sowie eine Kirche sind innerhalb des Dorfes schnell fußläufig zu erreichen; auch der Olympiapark mit seinen Sehenswürdigkeiten und Sportstätten liegt in direkter Nachbarschaft und dient als erweitertes Naherholungsgebiet – ob zum Spazierengehen, Laufen, Radfahren oder Besuch von Veranstaltungen. All das reduziert die primären Mobilitätsbedarfe der Bewohner ganz erheblich.
Gleichzeitig ist das Dorf durch den direkten Zugang zur U-Bahn und zu den örtlichen Bussen bequem mit dem Rest von München und der Welt verbunden.
Während wir also heute über die Vision der 15-Minutes-City diskutieren, war das Olympische Dorf bereits vor 50 Jahren eine 5-Minuten-Stadt.
Zusammenleben: Restaurant und Gemeinschaftsgebäude im Herzen des Dorfs
3. Barrierefreiheit
Vor 50 Jahren war Barrierefreiheit noch die Ausnahme. Das Dorf mit seinen breiten Rampen, Handläufen und Aufzügen wurde jedoch von Grund auf so konzipiert, dass alles ohne Stufen zugänglich ist. Diese besondere Zugänglichkeit hat es schon immer für Rollstuhlfahrer und Senioren besonders attraktiv gemacht und ist gleichzeitig eben auch für Radfahrer, Kinderwagen oder Fußgänger äußerst bequem.
Zugangsrampen auf der Gehebene der Strassberger Strasse
4. Liebens- und lebenswertes Wohnen
Neben all diesen sachlichen Kriterien war einer der Kernpunkte des frühen architektonischen Konzepts, dass das Dorf nicht ein weiterer deprimierender Wohnblock aus Beton werden sollte, sondern ein Ort, an dem Menschen auf Dauer gerne leben würden. Wie gut und nachhaltig das gelungen ist, kann man bis heute sehen und spüren. Die überall vorhandenen Pflanzen und Bäume machen es zu einer grünen Oase. Über das ganze Dorf verteilte Plätze, an denen man sich gerne trifft, die vielen Kunstwerke, die Cafes und Gemeinschaftseinrichtungen bringen die Menschen zusammen und schaffen eine wirklich lebens- und liebenswerte Nachbarschaft.
Die Radfahrer wurden ja bereits erwähnt: Was ich absolut bemerkenswert finde, ist die harmonische Art, in der sich Fußgänger und Radfahrer im Dorf schon immer den Weg geteilt haben. Ohne große formale Wegeführung oder Vorschriften gab es nie große Probleme, wenn Fußgänger und Radfahrer den Platz auf der oberen Ebene gemeinsam nutzten. Vielmehr gibt es so etwas wie einen informellen Verhaltenskodex, der auf gegenseitiger Rücksichtnahme beruht und dafür sorgt, dass alle Verkehrsteilnehmer gut miteinander auskommen.
Viel Grün und Kunst in der Nadistrasse
Schattenseite
Gibt es auch einen Nachteil? Ja – aber erst auf den zweiten Blick. In einer Siedlung dieser Größe, in der Tausende von Menschen zusammenleben, braucht es klare Regeln und Verantwortlichkeiten. Die 1972 geschlossenen Verträge für die Nutzung des Olympischen Dorfes nach den Spielen aber waren mit juristischen Mängeln gespickt, weshalb dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen jahrzehntelang auf Eis lagen bis endlich die Gerichte entschieden hatten, wer dafür aufkommen muss. Als z.B. die Betonstruktur unter der Gehebene erneuert werden musste, dauerte es etwa 15 Jahre, bis entschieden wurde, welcher Teil davon zum oberen Gehweg (und damit zu den privaten Gebäuden rechts und links davon) und welcher zu den öffentlichen Straßen (im Besitz der Stadt) gehört, die sie überdeckt.
Last not least: Man kann den 50. Jahrestag des Olympischen Dorfes nicht feiern ohne dabei auch des schrecklichen Terroranschlags zu gedenken, der dort während der Spiele verübt wurde. Die Lehren, die daraus auch weiterhin zu ziehen sind, gehen weit über die Mobilität hinaus.